Man kommt angesichts dessen was der Superstar des Profiradsports, Tadej Pogacar, dieses Jahr an Leistungen abliefert, nicht mehr aus dem ungläubigem Staunen heraus. Wie er schon im Frühjahr bei der Strade Bianchi mit einem Monstersolo über 80km mit Ansage die Konkurrenz düpierte, das im modernen Radsport nicht mehr für möglich gehaltenen Double aus Giro und Tour Sieg mit beängstigender Dominanz absolvierte und dazu auch noch den WM Titel im Straßenrennen von Zürich gewinnt, ist mehr als außergewöhnlich. Den sogenannten Triple Crown [1] schafften in der gesamten Radsporthistorie erst zwei Heroen der Vergangenheit, Eddy Merckx (1974) und Stephen Roche (1987). Mit Ausnahme der Radamazone van Vleuten, der dieses Kunststück 2022 gelang, liegt dieses äußerst seltene Palmarés also schon geraume Zeit zurück, in Epochen wo die Leistungsdichte im Spitzensektor weitaus inhomogener gestaltet war als in der aktuellen Generation der veloaffinen Wattmonster. Wer allerdings dachte das Pogacar nach seinem Husarenritt in der Schweiz in den verdienten Saisonurlaub abtreten würde, der wurde mit seinem weiteren fulminanten Auftritt bei der Lombardeirundfahrt eines Besseren belehrt [2a]. Pogacar setzt mit der Leistungskonstanz über einen so langen Saisonzeitraum völlig neue Maßstäbe der Superlative im professionellen Radsport [2b]. Und immer dann wenn eine derartige Überlegenheit eines Athleten die nicht minderbegabten Mitbewerber zu Statisten degradiert, werden berechtigte Fragen zur Glaubwürdigkeit des Überfliegers gestellt. Spätestens wenn ein ebenfalls „überirdischer“ Mitstreiter [3] und ein weiteres Ausnahmetalent seiner Zeit dieses Spektakel des slowenischen Strahlemanns als „nicht normal“ bzw. „übermenschlich“ bewertet [4], sollte man hellhörig werden.

Die Art und Weise wie Pogacar das WM Rennen pulverisierte ist deshalb einer intensivieren Betrachtung wert, immerhin war dort die versammelte Weltelite der Klassikerjäger am Start denen der Parcours mit 4.500hm und einer Distanz von 274km mindestens ebenso hätte liegen müssen wie Pogacar. Wie der Slowene dann allerdings seine Konkurrenten filetierte hat selbst hartgesottene Insider überrascht. Seine Attacke 100km vor dem Ziel aus der Favoritengruppe heraus, wurde zunächst aufgrund der jahrzehntelangen empirischen Erkenntnisse als völlig absurd bewertet [5]. Als er dann jedoch gezielt von dem aus der Spitzengruppe heraus wartenden Landsmann Tratnik an die Führenden heran eskortiert wurde, war offensichtlich das sich hier ein geplantes taktisches Vorgehen abspielt, auch wenn dies von den Beteiligten vehement abgestritten wird [6]. Wie die Slowenen es ohne Rennfunk, der bei der WM untersagt ist im Gegensatz zu sämtlichen anderen Wettbewerben im Saisonverlauf, geschafft haben Pogacar mit einer Punktlandung bei Tratnik anzudocken ist schon eine Kuriosität für sich.  

Abb. 1 Jan Tratnik wartet passgenau auf Pogacar nach dessen erster Rennattacke [7].

Zu diesem Zeitpunkt ahnte man bereits in der Favoritengruppe das die scheinbar sinnlos frühe Attacke, welche nach den bis dahin geltenden Gesetzmäßigkeiten der Radsporthistorie zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, durchaus ernst gemeint war. Wie sich dann die gesamte Klassikerelite der Belgier vergeblich in die Nachführarbeit einspannte, wurde auch dem versierten Zuschauer am Bildschirm klar, dass man soeben Zeitzeuge einer bis dato noch nie erlebten Rennsituation wurde.  

Abb. 2 Die gesamte belgische Nationalmannschaft schafft es nicht Pogacar zurückzuholen [7]!

Als Pogacar dann 20km später erneut aus der Spitzengruppe heraus attackierte, war das Rennen um den WM Titel gelaufen. Und tatsächlich bringt dieser radelnde Androide den Vorsprung gegen sämtliche Konterattacken der Weltelite aus allen Nationen, über eine in weiten Teilen fast 100km lange Solofahrt, regelrecht spielerisch auf die Zielgrade. Die Chronik und Choreografie dieses Rennverlaufes ist ohnehin schon absurd, wenn man sich die Leistungskennwerte Pogacars über die Dauer seines Ausritts betrachtet, steht zu vermuten das man irgendeinen entscheidenden evolutionären humanphysiologischen Entwicklungssprung in den Regionen Slowenien (Geburtsort Pogacar), Monaco (Wohnort Pogacar) oder der arabischen Wüste (Teamsitz UAE) übersehen haben muss.

Bei der Attacke von Pogacar im WM Rennen versucht der US Amerikaner Quinn Simmons, der auch schon Erfahrungen mit der woken Cancel Culture machen musste [8], für ca. 41s mit Ø743W (Peak 985W) zu folgen, im Verlauf wuchtet Simmons dann eine 4min Leistung von 550W um Pogacars Hinterrad zu halten, bevor er dann doch reißen lassen muss. „Pogi“ sieht dabei total entspannt aus, obwohl er ähnliche Werte treten muss (Simmons ist etwas größer mit 1.85m und schwerer bei ca. 72kg). Als Pogacar nach seiner 2. Attacke aus der Spitzengruppe kurz mit dem für Frankreich startenden UAE Teamkollegen Sivakov (1.88m, ca. 70Kg) unterwegs ist, fährt Sivakov 8min:37s Ø485W (NP 512W) d.h. 7W/kg KG! An der Zürichbergstr. muss Sivakov über 1min:54s mit 641W im steilsten Abschnitt und im Witikon Anstieg mit 438W (NP 483W) tief in den roten Bereich gehen, wohlgemerkt waren dort noch 70km zu fahren! Auch Sivakov muss dann reißen lassen [9]. Die Leistungswerte von Pogacar finden übrigens in den Saisonabschlussrennen Bestätigung. Beim Grand Prix Montreal in Kanada, versucht Matteo Jorgenson bei der Attacke von Pogacar mit 912W über 30s vergeblich zu folgen [10]. Bei dem Husarenritt während der Lombardeirundfahrt fährt Pogacar dort einen Sektor mit 445W über 31min (6,8W/kg KG), sowie seine entscheidende Attacke von 460W über 12,5min und später nochmal 10min bei 467W (7,2W/kg KG) [11a]. Und das am Ende der langen, extrem schweren Rennsaison!!! So etwas hat es in der Geschichte des Radsports tatsächlich noch nie gegeben [2b]. Ein Novum zudem das Pogacar durchgehend mit 165mm Kurbellänge und einer über die gesamte Rennsaison sagenhaften Trittfrequenz von 92-97U/min alles in Grund und Boden kurbelt [11b, 12]. Bereits in den 1930er Jahren (am Muskelfluginstitut der Wehrmacht!), 1977 (Seabury et al.) und 2004 (Diss. S. Ückert [13a]), belegten empirische Studien die Ökonomisierung der intrazyklischen Dynamik im Tretzyklus, durch Verschiebung zu einer höheren Kadenz bei steigenden Widerstandsbelastungen [13b]. Eine Erkenntnis, die ein hochfrequenter Lance Armstrong bereits erfolgreich gegen den kraftorientierten Fahrstil von Jan Ullrich demonstriert hatte.

Von Smirs1

Studium der Chemie u. Sportwissenschaft; 30 Jahre Berufserfahrung in der klinischen Forschung, Medizinproduktezulassung, Fitnessindustrie u. Betreuung von Weltklasseathleten; ehem. Diplomand am Institut f. Biochemie u. Dopinganlytik d. DSHS Köln; investigativer Journalist in Mainstream u. alternativen Medien mit zahlreichen fachspezifischen Publikationen; passionierter Radsportler, seit 40 Jahren im Rennsattel unterwegs; Erfinder und Patentinhaber

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