Das die diesjährige Tour de France (TdF) ein Spektakel von besonderer Güte garantieren würde, war schon mit der Präsentation des Streckenverlaufes und den enorm schwierigen Bergetappen direkt zu Beginn vorauszusehen. Das übliche Einrollen in der ersten Rundfahrtwoche mit Prolog, Flachetappen und Sprintankünften, wurde erstmals durch eine Dramaturgie der direkten Auseinandersetzung der Gesamtklassementfahrer (GC) vom ersten Tag an ersetzt. Dies stellte insbesondere an die Trainingsplanung der Top GC Favoriten eine völlig ungewohnte Herausforderung dar. Zum einen musste man mit Top Level in die Rundfahrt einsteigen und diesen dann über 3 Wochen auf einem konstant hohen Niveau halten, insbesondere mit Reserven für die letzten drei brutalen Etappenprofile in den südfranzösischen Alpen. Dieses trainingsmethodische Paradoxon, welches allen Lehrbuchinhalten des systematischen Formaufbaus grundsätzlich widerspricht, provoziert geradezu die Manipulation der leistungsphysiologischen Kapazitäten mit unlauteren Maßnahmen. Und so liefern die Leistungsdaten der Protagonisten schon auf der 4. Etappe am hochalpinen Galibieranstieg im wahrsten Sinne des Wortes unglaubliche Kenndaten. Nicht nur das die bisherigen Rekorde der Anstiegszeiten aus den EPOchen der Vergangenheit über den Col du Lautaret bei zusätzlichem starkem Gegenwind zum Col du Galibier geknackt werden [1], die neuen Werte dringen darüber hinaus in Dimensionen vor die bis dato als unerreichbar galten. Pogacar sprintet bspw. im oberen steilen Teil des Col du Galibier mit fast 2400hm/h (VAM) bergan, wohlgemerkt in 2600m üNN, wo durch die höhenbedingte Hypoxie die aerobe Humanphysiologie eigentlich extrem eingeschränkt sein sollte. In dieser Höhenlage mobilisieren die Top GC Fahrer relative Leistungsspitzen von 6,28W/kg KG (KG=Körpergewicht, Pogacar), 6,24W/kg KG (Vingegaard) und 6,2W/kg KG (Evenepoel) über 20min [2]. Beeindruckend auch wie sich die Teamarbeit am Col du Lautaret für die GC Kapitäne in den Energiebilanzen niederschlägt. Während die Edeldomestiken im Wind von vorne arbeiten, verbraucht bspw. Team Visma Edeldomestike Joergensen 3653kcal, der Lotto-Soudal Kapitän Evenepoel immerhin noch 2807kcal, während UAE Kapitän Pogacar mit nur sagenhaften 1630kcal im Etappenverlauf bilanziert [1]. Letzterer verheizt allerdings seine UAE Team Helfer auf der Etappe erheblich, was sich u.U. in der 3. TdF Woche bitter rächen könnte. Zudem rast Pogacar die Galibier Abfahrt in einem Kamikazestil mit durchschnittlich 66km/h Richtung Zielort Valloire [2], eine lebensgefährliche Risikobereitschaft in jeglicher Hinsicht, die bei dieser Konditionierung der Velogladiatoren auch Rückschlüsse auf deren leistungsmanipulative Mentalität liefern könnte.

Die 5. Etappe liefert dann ein weiteres Highlight mit dem Rekordsieg von Sir Mark Cavendish, den King Charles schon vorab in den Ritterstand geadelt hatte [3]. Dieser 35. Etappenerfolg bei der TdF ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Nicht nur, dass der Rekord des legendären Eddy Merckx damit gebrochen wurde, insbesondere die Leistungskonstanz von Cavendish über sage und schreibe 16 Jahre Radsportprofikarriere, seinen ersten TdF Erfolg feierte er 2008, nötigen höchsten Respekt ab. Während er dafür vom gesamten Peloton und der Radsportgemeinde gebührend gefeiert wird, zeigt nur sein deutscher Konkurrent Phil Bauhaus eine arrogante egomanische Stellungnahme in völlig unangemessener Weise [4], welche zu Recht mit einer entsprechenden Sanktion belegt wird [5]. Der Kandidat hatte zudem schon in der Vergangenheit seine charakterlichen Defizite offenbart [6] und hätte allen Grund gehabt dem Gentleman Cavendish die Ehre zu erweisen, der immerhin bis vor Kurzem sein Teamkollege gewesen ist, von dem er lernen durfte [7]. Wie hart sich Cavendish diesen Rekordsieg erarbeitet hat, zeigt auch, dass er nach dem unglücklichen Sturz während der letztjährigen TdF mit Schlüsselbeinbruch beharrlich sein Comeback verfolgte und sich während der ersten Etappen enorm in der Hitze und den Bergen am Rande seiner Leistungsfähigkeit gequält hatte [8]. Die taktische Cleverness mit der Cavendish in dem chaotischen Sprint seine Fahrlinie zum Sieg findet ist ein weiterer Geniestreich des Altmeisters [9]. Chapeau Sir Cavendish!

Die Schlacht der Big Four im GC (Pogacar, Vingegaard, Evenepoel und Roglic) erreichte ihren nächsten Höhepunkt im Zeitfahren der 7. Etappe. Die Leistungen, welche dort abgeliefert werden, erzeugen beim langjährigen Beobachter der Szene erneut erhebliches Stirnrunzeln. Die Analyse der Radtechnik liefert schon erste Indizien eines Quantensprungs in den Übersetzungsverhältnissen (ÜV), welche man bis dato nur aus dem Steherrennsport auf der Bahn kannte, dort fahren die Rennfahrer allerdings hinter Motorradgespannen im Windschatten [10]. Seit Kurzem tauchen mit 60er und 62er Kettenblättern „Ballermänner“ auf, die auf eine exorbitante Zunahme der Kraft(ausdauer)fähigkeiten der Athleten schließen lassen.

Abb. 1 Übersetzungsverhältnisse der Top GC Favoriten [11].

Von Smirs1

Studium der Chemie u. Sportwissenschaft; 30 Jahre Berufserfahrung in der klinischen Forschung, Medizinproduktezulassung, Fitnessindustrie u. Betreuung von Weltklasseathleten; ehem. Diplomand am Institut f. Biochemie u. Dopinganlytik d. DSHS Köln; investigativer Journalist in Mainstream u. alternativen Medien mit zahlreichen fachspezifischen Publikationen; passionierter Radsportler, seit 40 Jahren im Rennsattel unterwegs; Erfinder und Patentinhaber

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