Der Veranstalter des ÖRM trägt mit seinem laxen Umgang zum Thema Doping immerhin einiges dazu bei, die Glaubwürdigkeit der Veranstaltung massiv zu beschädigen. 2012 wird mit Jan Ullrich ein Markenbotschafter für den ÖRM engagiert, der zu dieser Zeit weltweit, auch für Amateurrennen, gesperrt gewesen ist [17]! Im Reglement des ÖRM wird zwar im Konjunktiv darauf hingewiesen, dass es evt. Dopingkontrollen geben kann [18a], konkrete Testberichte lassen sich jedoch nirgends finden, erstmals wurde ohnehin erst 2017 offiziell getestet [18b]. Im Finale der Live Übertragung des diesjährigen ÖRM kann man beobachten, wie ein entfesselt fahrender Stefano Cecchini das Timmelsjoch hinaufrast, um am Ende Drittplatzierter zu werden. Cecchini? Die Älteren unter uns werden sicher sofort, zu Recht, hellhörig. Es handelt sich in der Tat um den Sohn des ehemaligen dubiosen Dr. Luigi Cecchini, der schon manchem Dopinggranden im Profizirkus hilfreich zur Seite stand und Schüler des legendären Dottore EPO, Michele Ferrari, gewesen ist [19].

Deshalb lohnt es sich, die Leistungskenndatenanalyse der beiden diesjährigen Sieger in der Männer- und Frauenwertung genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Sieger des ÖRM 2022 und 2024, Jack Burke (29 J., 1.80m, 67kg), hat zunächst einmal eine sehr kuriose und dubiose Dopinghistorie aufzuweisen. Angeblich verunreinigtes Trinkwasser habe zu seinem ehemaligen positiven Diuretika Dopingbefund geführt. Er kam mit dieser Wasserkontaminationshypothese durch, ohne dass jemals das Wasser an der fraglichen Quelle untersucht worden wäre [20]! Doch wenden wir uns nun dem inzwischen veröffentlichten Leistungsprofil von Burke zu [21], welches geradezu unfassbare Daten offenbart. Der Kanadier bewältigt den ÖRM in einer neuen Rekordzeit von 6h:49min (trotz der zusätzlichen Steigung in Sterzing, die bei früheren Ausgaben nicht dabei gewesen ist), mit einer Durchschnittsleistung von 256W (3.82W/kg), entspricht einer normalisierten Leistung (NP, [22]) von 314W (4.69W/kg), einer Peakspitze der besten 20min mit 398W (5.94W/kg) am Jaufenpass und einem gesamtkalorischen Umsatz von ca. 6300kJ – 6700kJ. Seine Siegerzeit ist nur 12min über derjenigen des Weltklasseprofis Roman Kreuzinger, der die einzige Profiausgabe des ÖRM seinerzeit (auf der alten weniger schweren Strecke!) in 6h:37min bewältigte [23].

Abb. 2 Quelle: Analyse Speedville [21].

Zudem besonders aufschlussreich, was Burke in seinem Podcast zum Besten gibt [24]. Er hat am Jaufenpass, wo seine Solofahrt zum Sieg begann, Spitzenwerte von 440-450Watt getreten, bei 392Watt (Strava) bzw. 410Watt (Podcast) Durchschnittsleistung in diesem Anstieg, was sagenhaften 5,9W/kg KG über ca. 45min mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 19,6km/h entspricht. Das Timmelsjoch ist er dann mit Ø358Watt und 5,34W/kg KG, mit 20,8km/h in 81min hochgeflogen! Er fuhr den Strava KOM (King oft the Mountain, also Bestzeit aller jemals registrierten Auffahrten/Abfahrten) am Jaufenpass (Up- und Downhill) und Timmelsjoch (Uphill) gegenüber sämtlichen Top Radprofis aus den World Tour Teams bspw. während der TOTA (Tour of the Alps). In der Spitzengruppe realisiert er am Kühtai immerhin noch Ø322Watt bei 4,8W/kg KG über fast 1h, der Brenner wird mit Ø220Watt und 3,28W/kg KG in 1h:16min weggebügelt. Das alles erklärt Burke mit dem Wechsel zu einem neuen, bis dato recht unbekannten, kanadischen Trainer und dessen neuartige KI basierte Trainingsmethodik. Bei den Argumentationsstrategien sind die Athleten/-innen mindestens genauso findig wie offensichtlich beim Einsatz anderer leistungssteigernder Ingredienzien. Eine Woche später toppt er seine Werte nochmal beim Kitzbüheler Marathon (216km, 4600hm [25]), wo er die besten 20min mit 407Watt (6,07W/kg KG) am extrem steilen Schlussanstieg des Kitzbüheler Horns (7,7km mit Ø12,1% Steigung!) mobilisiert, nach bereits absolvierten 5h:50min Renndauer und ca. 5000kJ Gesamtenergieumsatz. Werte die ein Pantani, Ullrich oder Armstrong so gerade eben noch bei den ultraschweren Etappen der Tour de France erreicht haben und mit denen man heute noch gut in der World Tour mitfahren kann. Das alles wird von einem „Hobbyfahrer“ in einem Jedermannrennen abgeliefert, nun denn, muss wohl am „Klimawandel“ liegen, die wärmeren Temperaturen sorgen wohl für mehr Auftrieb.

Von Smirs1

Studium der Chemie u. Sportwissenschaft; 30 Jahre Berufserfahrung in der klinischen Forschung, Medizinproduktezulassung, Fitnessindustrie u. Betreuung von Weltklasseathleten; ehem. Diplomand am Institut f. Biochemie u. Dopinganlytik d. DSHS Köln; investigativer Journalist in Mainstream u. alternativen Medien mit zahlreichen fachspezifischen Publikationen; passionierter Radsportler, seit 40 Jahren im Rennsattel unterwegs; Erfinder und Patentinhaber

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert